Das, was ein Mann wirklich braucht, um in allen Lebenslagen gut und zeitlos angezogen zu sein, muss in eine Tasche passen. Ein Paar Jeans, ein Sweatshirt, ein T-Shirt, ein Paar Socken und ein Halstuch. Und diese Tasche muss sich an den Sitz eines Motorrads hängen lassen. Fertig. Von dieser genial einfachen Idee ausgehend hat Davide Biondi seine lässig-exklusive Marke gegründet, die Ikonen der Männerbekleidung zu unübertrefflicher Perfektion bringt.
Unsere Welt ist von Wachstum besessen. Unsere ganze menschliche Existenz ist zum bedingungslosen Wachstum verdammt, der durch nichts und niemanden zu stoppen ist und dessen willfährige Helfer Kapitalismus und Globalisierung heißen. Sie sind die Krebsgeschwüre, die rücksichtslos nach immer mehr verlangen, bis ihr Wirt vertilgt und vernichtet ist. Einmal von der Kette gelassen, sind sie nicht mehr einzufangen, denn der Mensch ist mit der großen charakterlichen Unzulänglichkeit versehen, nicht nur einmal erlangten Wohlstand nicht wieder hergeben zu können, sondern immer mehr davon zu wollen, erst recht, wenn ihn ein anderer auch schon hat. Die großen Unternehmensberatungs-Konzerne dieser Welt haben daraus ein eiskaltes Geschäftsmodell gemacht. Kaum holt man sie sich ins Haus, um seine eigene Idee – sagen wir mal zum Beispiel für ein geschmackvolles, nachhaltiges und zeitloses Bekleidungslabel – analysieren zu lassen, fragen sie einen mit hundertprozentiger Sicherheit als allererstes nach der „Skalierbarkeit“ des Produkts. Denn nur wenn es sich multiplizieren und expandieren lässt, kann es gut sein. Davide Biondi hat bei der Gründung von „Hen’s Teeth“ Gott sei dank nicht auf Unternehmensberater gehört – sondern auf sein Herz. Und hat einfach die drei Dinge miteinander vereint, die ihn seit seiner Kindheit begeistert haben: Kleidung, Grafikdesign und Motorradfahren.
Davide wächst in einer kleinen Stadt an der italienischen Adriaküste nahe Pescara in den Abruzzen auf. Seit er denken kann, faszinieren ihn Kunst, Mode, Malerei und Handwerk. Es ist das alte Paar Jeans seines Vaters, welches dieser bei der Landarbeit trägt, das Davide zum ersten Mal ein Verständnis für die Werthaltigkeit robuster Handarbeit vermittelt und das ihm zugleich die Schönheit eines Kleidungsstücks vor Augen führt, dem man die Spuren der Arbeit seines Trägers ansieht und das mit ihm in Würde altert und Patina gewinnt. Bereits während seiner Schulzeit auf einem Musik-Konservatorium beginnt er, Denimstoffe und Jeanshosen zu sammeln und ihre Verarbeitung zu studieren, gleichzeitig malt er wie ein Besessener und wird schließlich durch den elterlichen Scheunenfund einer knallroten, uralten Moto Guzzi seiner dritten Leidenschaft zugeführt. Er nimmt ein Studium der Bildenden Kunst an der Accademia di Belle Arti von Bologna auf, geht Jahre später nach Kalifornien, um seine Werke auszustellen, kehrt schließlich nach Italien zurück und beginnt in einem führenden Bekleidungsunternehmen zu arbeiten. Eines Tages, als er – wie es bei uns Männern oft
der Fall ist – sich mal wieder von der allmorgendlichen Frage überfordert sieht, was er anziehen soll, fällt der Startschuss für das, was einmal „Hen’s Teeth“ werden wird; allerdings ohne dass sich Davide zu diesem Zeitpunkt dessen bewusst ist. Er will am liebsten einfach nur ein perfekt geschnittenes und verarbeitetes Sweatshirt tragen und dazu ein ideal sitzendes Paar Jeans. Also fängt er an, genau dies selber herzustellen. Schnell kommen noch ein Paar Socken, ein Bandana und ein perfektes T-Shirt hinzu, das er mit von alten Army- und Motorrad-Logos inspirierten Grafiken versieht – das ist alles, was Davide zum Glücklichsein braucht. Und die Tasche, in die das alles passen muss, stellt er gleich auch noch selbst her. Alles ist in zeitlosen Designs und Stoffen, in klassischen Schnitten und mit allergrößter Liebe zum Detail angefertigt. Und plötzlich weiß Davide ganz genau, dass dies seine Zukunft werden und er endlich all das vereinen können wird, was er immer geliebt hat. Davide Biondi gründet Hen’s Teeth, und Hen’s Teeth ist Davide Biondi.
Denn während „handmade“ bei vielen Brands längst zu einem bedeutungslosen Marketingspruch verkommen ist und oftmals nichts anderes heißt, als dass während des Herstellungsprozesses irgendjemand mal per Hand ein Etikett eingenäht hat, nimmt Hen’s Teeth den Begriff Handarbeit noch wirklich beim Wort: Davide ist im positiven Sinne ein Handarbeits-Extremist, denn jeder, ja tatsächlich jeder einzelne Schritt bei der Fertigung seiner schönen Teile ist bedingungs- und kompromisslos von Hand gemacht und durch seine eigenen Hände gegangen. Das bedeutet automatisch, dass Skalierbarkeit – um im dämlichen Unternehmensberater-Sprech zu bleiben – von vornherein gar nicht möglich und auch nicht beabsichtigt ist. Und genau deshalb hat Davide auch den Namen „hen’s teeth“ gewählt: Hierbei handelt es sich um eine umgangssprachliche Formulierung aus den USA etwa zur Mitte des 19. Jahrhunderts, die einen Gegenstand bezeichnet, der so dermaßen selten ist, dass er quasi nicht vorhanden ist; denn Hennen haben natürlich gar keine Zähne, und falls doch, dann wäre das absolut einzigartig. So einzigartig, wie die wunderschönen Produkte von Hen’s Teeth tatsächlich im Wortsinne sind, denn kein Teil gleicht dem anderen und nichts davon wird in größeren Auflagen oder gar in Serienproduktion hergestellt. Inzwischen haben sich auch noch Westen, Workshirts und Beanies zum Konzept von Hen’s Teeth gesellt, die durch klassisch schöne Formsprache und außergewöhnliche Grafiken bestechen. Und dank tatkräftiger weiblicher Unterstützung von Marianna gibt es auch schon eine kleine Kollektion für die Frau. Davide kontrolliert jeden Schnitt, jede Naht, hämmert jede Niete selbst ein, beschriftet die Etiketten, faltet und verpackt jedes Kleidungsstück und schickt es persönlich an seine geschätzten Kunden. Wer macht so etwas noch, wer gibt sich heutzutage noch solche Mühe? Und zwar nicht, weil er muss – sondern weil er will!
Hen’s Teeth beweist uns mit lässig-zeitlosem Understatement, warum sie keine Unternehmensberater brauchen: Man kann das Diktat des Wachtumsterrors durchbrechen. Man kann auf Skalierbarkeit und Expansion scheißen. Grazie, Davide!
Text • Mathias Lösel | Fotos • Hen’s Teeth