„Wir sind Fühler!“, erzählt Oliver Sklorz – und meint damit Menschen, denen die Haptik wichtig ist, die alles anfassen müssen. In seinem Geschäft „die form“, das es seit 52 Jahren in der schönen Altstadt von Oldenburg gibt, ist ein Konzept rund um besondere Stoffe, Schnitte und Marken gewachsen, das es so kein zweites Mal gibt.
Auf den ersten Blick ist „die form“ ein klassisches Herrengeschäft mit sorgfältig ausgewählten Marken. Ein rechteckiger, offener Raum und ein Sortiment, das keine Wünsche offen lässt, empfängt die Kunden, die sich von der Masse abheben wollen. Von Boxershorts über Socken, Düfte und Rasierutensilien, Messer und Spirituosen und natürlich die volle Auswahl an Kleidungsstücken von den Red Wing Boots über Jeans bis hin zu dreiteiligen Anzügen, die zwar auf jeden Fall bürotauglich sind, mit denen Mann aber deutlich stil- und stoffbewusst hervorsticht.
Die Auswahl ist groß und es braucht tatsächlich etwas Zeit, bis alles einigermaßen erfasst ist. Und dabei fallen viele ungewöhnliche Dinge ins Auge. Allen voran eine Ecke, die ganz offensichtlich dem „Maßnehmen“ vorbehalten ist. An der Wand Kragenmuster, Stoffmuster von Denim, Knöpfe zur Auswahl et cetera, rund um die Theke davor liegen Rollen mit Tweed- und Wollstoffen. Lange allein bleibt der Besucher ohnehin nicht in dem Geschäft und so erschließt sich im Gespräch schnell, was bereits vermutet wurde: Ja, hier gibt es auch Anzüge, die auf die eigenen Maße angepasst werden. Aber nicht nur das! Mit vielen der hier angebotenen Marken ist diese Individualisierung möglich.
Also Schuhe – von Shoto – die nach den eigenen Wünschen zusammengestellt werden können, von der Sohle über die Form bis zur Farbe; Jeans, die auf die eigenen Maße und mit dem gewünschten Denim angefertigt werden; Mützen im Wunschmaterial; Maßhemden von Emanuel Berg, Eton oder Formens; Westen, Sakkos, Mäntel oder ganze Anzüge von Borélio, Formens, 1973 (Kastell) und Scabal – und sogar Strickwaren der Marke Borélio können auf Maß bestellt werden. Ein Angebot, das sogar die meisten Maßkonfektionäre übersteigt, insbesondere in der Art der Kleidungsstücke. Bei „die form“ geht es eben nicht nur um den klassischen Business- oder Hochzeitsanzug, sondern – unter anderem auch mit gewaschenen Stoffen – darum, perfekt angezogen zu sein in der Freizeit und im Beruf, um ein Lebensgefühl, um Lieblingsmode und um Individualität.
„Viele nehmen das Angebot an – teils auf Maß und teils auch als individualisierte Einzelanfertigung in Standardgrößen“, bestätigt Oliver Sklorz, der das 1971 eröffnete Geschäft von seiner Mutter übernommen hat. Schon damals war das Geschäft nicht gewöhnlich: Mit Möbeln von Le Corbusier bis Mies van der Rohe in Kombination mit außergewöhnlicher Herren-, Damen- und Kindermode, war „die form“ ein Pionier heutiger Concept Stores. Schon damals mit dem Anspruch auf Langlebigkeit als Vorläufer von Nachhaltigkeit. In den 90er Jahren übernahmen Oliver und seine Frau Ulla das Geschäft und die Werte, die hier gelebt wurden. Sie brachten ihre eigene Leidenschaft, ihre Begeisterung und Ideen mit, wie auch den Service, den Kunden noch mehr Individualität zu bieten.
Seit 25 Jahren bietet „die form“ diese Art von Maß und Individualisierung an. Preislich ist es kein so großer Unterschied, im Tragekomfort kann dieser aber enorm sein. Und die Preise sind ganz transparent: Schon vorab kann der Interessent auf der Webseite eine Vorstellung von den Kosten bekommen und mit der Ware im Onlineshop vergleichen. Dass so eine Vielfalt im Maß-Angebot überhaupt möglich ist, liegt an der langen und intensiven Zusammenarbeit mit den entsprechenden Marken. Immer mal lässt der 58-jährige Inhaber auch besondere Dinge oder Kleinserien extra für sein Geschäft herstellen, wie zuletzt auch zum 50sten Firmen-Geburtstag. Deswegen liegen hier im Laden auch so viele Stoffballen herum: Oliver Sklorz ist einfach stoffverliebt – kauft und sammelt, was ihm persönlich gefällt.
„Wir Männer lieben es, ein Teil wiederzufinden, was wir vor Jahren entdeckt haben, das gibt es bei Frauen nicht“. Das bezieht sich einerseits auf manche Modeklassiker und in anderen Fällen hilft Oliver gerne nach. Trotzdem können sich Frauen auch Blusen, Westen, Hosen oder Blazer auf ihre Maße fertigen lassen beispielsweise von er Marke Matteo Dosso. Direkt nebenan befindet sich das Damengeschäft von „die form“, welches von Ulla Sklorz geleitet wird. Die Räumlichkeiten haben eine ganz andere Atmosphäre als das Herrengeschäft: aufgeräumt, warm, feminin und elegant.
Nicht nur Oliver und Ulla Sklorz haben sich der Mode verschrieben, auch Sohnemann Jan ist schon in das Geschäft mit eingestiegen und wird es später übernehmen. Mit seiner Unterstützung legt „die form“ einen großen Fokus auf Digitales. Oliver ist davon überzeugt: „Wer digital nicht sichtbar ist, wird analog nicht mehr gefunden.“ Der Aufwand geht dabei weit über Facebook und Instagram hinaus. Auf Pinterest ist „die form“ sehr aktiv, sogar auf Twitter – „eigentlich überall außer bei Tiktok“.
Auf der Webseite gibt es Konfiguratoren für Westen, Mützen, Gürtel, Strick und Schuhe und im Geschäft stehen Infoscreens, die insofern bei der Beratung helfen, als dass schnell im Onlineshop geprüft werden kann, ob die passende Größe eines Kleidungsstücks auf Lager ist oder das angefragte Accessoire verfügbar und der Berater nicht nach vorne zur Kasse laufen muss.
Die persönliche Beratung ist und bleibt allerdings das Wichtigste, ob am Telefon oder vor Ort. „Wir sind Geschichtenerzähler. Wir haben Ahnung von Qualität und Materialien. Wir wollen und wir können verführen, aber zwingen niemandem etwas auf.“ Das Team von „die form“ umfasst insgesamt 16 Mitarbeiter: vier im Damenladen, sechs im Herrenladen, vier Online, eine Person im Büro – und Klaus. Klaus ist das Model, kümmert sich um Social Media und ist der gutaussehende, bärtige Herr, der für „die form“ auf vielen Veranstaltungen ist.
„In einem Unternehmen braucht es gute Vibes, sonst funktioniert es nicht“, ist Oliver Sklorz sich sicher. Also versuchen er und seine Mitarbeiter, viel zu machen – fürs Team und für die Kunden, sodass sich alle wohlfühlen. Musik ist dabei auch ein wichtiger Bestandteil des Gesamtkonzepts und der Emotionen. Dabei ist Oliver, wie auch bei der Fotografie – fast alle Bilder von den Fotoshootings schießt er selber – auch bei der Webseite und Social Media wesentlich beteiligt.
Auch mit seiner Band „21Sunstreet“ gibt er gelegentlich Konzerte im Geschäft. Darüber hinaus hat er den Oldenburger Tweedrun vor zwölf Jahren ins Leben gerufen und den Zusammenschluss der vorwiegend inhabergeführten Läden „Oldenburgs gute Adressen“ 2010 mitbegründet.
OIdenburg ist eine schöne Stadt und hat neben Grünkohl noch so einiges zu bieten. Die Fußgängerzone ist eine der ältesten in Deutschland mit vielen außergewöhnlichen Geschäften und – Autos müssen draußen bleiben. Ein Besuch lohnt sich also sehr in der Haarenstraße 32 und 33, für alle, die Qualität lieben und auch mal etwas anderes haben wollen.
Text • Stefanie Kobayashi | Fotos • Oliver Sklorz